Familienrecht

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Versorgungsausgleich: Was bedeutet eine Scheidung für die Rentenansprüche?

Der Versorgungsausgleich nach der Scheidung soll die Anwartschaften auf Altersversorgung, die die Eheleute während der Ehezeit erworben haben, gerecht aufteilen. War zum Beispiel die Ehefrau einige Jahre nicht berufstätig, weil sie die gemeinsamen Kinder betreut hat, erhält sie für diese Zeit die Hälfte der erworbenen Rentenanwartschaften des Ehemannes, damit sie im Alter ebenso viel Rente bezieht wie er. Als Ehezeit gilt der Zeitraum vom 1. Tag des Monats der Heirat bis zum Ende des Monats vor der Zustellung des Scheidungsantrags. Den Versorgungsausgleich führt das Familiengericht, das für die Ehescheidung zuständig ist, von Amts wegen durch, sofern die Ehe mindestens drei Jahre bestanden hat. Dauerte die Ehe kürzer, findet der Versorgungsausgleich nach der Scheidung nur statt, wenn ein Ehegatte diesen beantragt.

Kein Versorgungsausgleich bei Geringfügigkeit oder Unbilligkeit

Ausnahmsweise verzichtet das Gericht trotz längerer Ehedauer auf den Versorgungsausgleich nach der Scheidung, wenn die Anwartschaften geringfügig sind oder beide Eheleute etwa gleich hohe Versorgungsansprüche erworben haben. Weiterhin kann der Versorgungsausgleich auch herabgesetzt werden oder ganz entfallen, wenn er „grob unbillig“ wäre, also zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Ein solcher Härtefall kann zum Beispiel vorliegen, wenn ein Ehepartner aus purer Faulheit nie gearbeitet oder auch aufgrund von Drogen- oder Alkoholsucht jahrelang nichts zum Familienunterhalt beigetragen hat. Ein weiterer Grund kann eine extrem lange Trennungszeit sein. Leben Eheleute vor der Scheidung schon 10 Jahre getrennt, kann das Gericht den auszugleichenden Zeitraum auf die Zeit des Zusammenlebens beschränken. Die Familienrichter müssen stets die gesamte wirtschaftliche Situation der Eheleute betrachten. Oftmals entstehen Missverhältnisse erst durch die Kombination aus Vorsorgeformen und vertraglichen Vereinbarungen.

Beispiel: Die Eheleute haben in einem Ehevertrag Gütertrennung vereinbart. Die Ehefrau war als Angestellte tätig und hat gesetzliche Rentenansprüche erworben. Der selbstständig tätige Ehemann hatte keine Rentenversicherung, sondern hat sich eine Immobilie als Altersvorsorge gekauft. Weil kein Zugewinnausgleich stattfindet, erhält die Frau keinen Anteil an der Immobilie, müsste aber im Versorgungsausgleich die Hälfte ihrer Rentenanwartschaften an den Mann abgeben. Hier wird das Gericht wegen grober Unbilligkeit keinen Versorgungsausgleich durchführen.

Eine besondere Härte, die den Versorgungsausgleich nach der Scheidung entfallen lässt, kann sich in extremen Fällen auch aus schwerem Fehlverhalten des Ausgleichsberechtigten ergeben. Hat ein Ehegatte beispielsweise seine Unterhaltspflichten während der Ehe grob verletzt, dem Partner ein fremdes Kind „untergeschoben“ oder eine schwerwiegende Straftat gegen ihn verübt, kann sein voller Anspruch auf Ausgleich unbillig erscheinen.

Aktuelle Rechtslage nach dem Versorgungsausgleichsgesetz

Im Jahr 2009 trat das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft, um das vormals geltende Berechnungsverfahren zu vereinfachen. Nach altem Recht wurde für jede einzelne Anwartschaft ein Wert ermittelt und die Werte wurden anschließend addiert. Der Ausgleich wurde dann nur aus den zusammengerechneten Werten in eine Richtung und in erster Linie durch Übertragung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt. Es gab also nur einen Ausgleichsberechtigten und einen Ausgleichsverpflichteten. Dieses Verfahren führte häufig zu ungerechten Ergebnissen, weil unterschiedliche Versorgungsanrechte einfach zusammengerechnet und miteinander verglichen wurden, obwohl sie einer ganz unterschiedlichen Systematik unterlagen. Die Wertbestimmung konnte sich nur auf Prognosen über die künftige Wertentwicklung der Vorsorgeprodukte stützen und war gesetzlich geregelt, was zu falschen Ergebnissen bei der Wertbestimmung führte. Der Ausgleichsberechtigte bekam z.B. als Ausgleich für Anwartschaften des Verpflichteten in der betrieblichen Altersversorgung auch nur Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen, die sich wertmäßig schlechter als die betriebliche Altersversorgung entwickelte. Er bekam also nicht wirklich den halben Wert von den Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten.

Nach der aktuellen Rechtslage wird nun jedes einzelne Versorgungsanrecht hälftig geteilt. Jeder Ehegatte ist also mehrfach Ausgleichsberechtigter und Ausgleichsverpflichteter und es gilt nun der Grundsatz der internen Teilung. Der Berechtigte erhält bei jedem Versorgungsträger, bei dem Anwartschaften bestehen, ein eigenes Rentenkonto, auf das die Hälfte verbucht wird. Die Ehegatten müssen die Entscheidung nicht selbst umsetzen, also etwas zahlen oder beantragen, sondern die Versorgungsträger setzen nach Abschluss der Scheidung die Entscheidung des Familiengerichts automatisch um.

Externe Teilung in Ausnahmefällen

Ausnahmsweise kommt in Abweichung von diesem Grundsatz die externe Teilung zum Zug. Das bedeutet, dass die Anwartschaften nicht bei dem ursprünglichen Versorgungsträger verbleiben, sondern dieser sie wunschgemäß an einen anderen Träger übermittelt. Der Anspruchsberechtigte kann zum Beispiel die Betriebskasse seines Ex-Ehegatten bitten, die Gutschrift an seine Riester-Rente zu überweisen. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit in §§ 14 ff. VersAusglG vorgesehen, um die Versorgungsträger zu entlasten. Gerade für kleine Betriebskassen stellt es einen hohen Aufwand dar, für jeden geschiedenen Ehepartner ein separates Konto zu führen. Die externe Teilung ist demnach möglich, wenn der Träger sie wegen eines geringfügigen Betrages verlangt oder sich mit dem Berechtigten auf diese Verfahrensweise einigt. Sie kommt außerdem bei Beamten der Länder und Kommunen zur Anwendung, für die im Gegensatz zu Beamten des Bundes noch keine Regelung über die interne Teilung existiert. Zielträger für Pensionen kann aber stets nur die Deutsche Rentenversicherung sein.

Ehepartner ziehen ihre Ringe aus, weil sie die Scheidung wollen

Welche Altersversorgungsanwartschaften unterfallen dem Versorgungsausgleich?

Grundsätzlich werden alle Anrechte, die die Eheleute während der Ehezeit erworben haben und die der Vorsorge für Arbeitsunfähigkeit und Alter dienen, im Versorgungsausgleich nach der Scheidung berücksichtigt, wenn sie auf eine laufende Versorgung, also eine Rentenzahlung gerichtet sind. Handelt es sich allerdings um ein Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung, wird es auch berücksichtigt, wenn statt Rente eine Einmalzahlung erfolgt.

Dazu gehören:

  • Beamtenversorgung,
  • gesetzliche Rentenversicherung,
  • betriebliche Altersversorgung unabhängig von der konkreten Leistungsform,
  • berufsständische Versorgung (für Anwälte, Ärzte, Apotheker etc.) und
  • private Invaliditäts- und Altersvorsorge, zum Beispiel Riester-Rente, Rürup-Rente und Erwerbsunfähigkeitsrente.

Nicht berücksichtigt, auch wenn sie als Altersvorsorge gedacht sind, werden

  • Ansparungen die sich auf die Kapitalbildung richten wie private Lebensversicherungen, Immobilien und Wertpapierdepots,
  • Entschädigungsansprüche wegen eines erlittenen Nachteils wie Opferrente oder Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung,

Anrechte bei ausländischen Versorgungsträgern

Zwar müssten ausländische Anwartschaften nach dem Gesetz ausgeglichen werden (vgl. § 2 VersAusglG), praktisch aber haben deutsche Familiengerichte keine Handhabe, einen ausländischen Träger zu verpflichten, den Berechtigten in sein System aufzunehmen. Dennoch bemühen sich die Gerichte, die Höhe der Anwartschaften bei ausländischen Versorgungsträgern exakt zu ermitteln. In manchen Fällen ergibt sich dann, dass der Ausgleich der deutschen Anwartschaften unbillig wäre, sodass auf den Versorgungsausgleich verzichtet wird. Weiterhin ist es möglich, die ausländischen Anrechte im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen. Dieser wird nicht vom Familiengericht bei der Scheidung durchgeführt, sondern kann erst dann verlangt werden, wenn aus der ausländischen Anwartschaft auch eine Versorgung gezahlt wird. Der Ausgleichsberechtigte muss sich dann zu diesem späteren Zeitpunkt selbst darum kümmern, vom Verpflichteten Auskunft über die Höhe der Zahlung und den daraus resultierenden Ausgleich zu verlangen. Zahlt der Verpflichtete nicht freiwillig, muss der Berechtigte dann erneut einen Antrag bei Gericht stellen. Alternativ können sich die Eheleute bereits bei Scheidung untereinander auf eine einmalige Abfindung oder die Zahlung einer dauerhaften Rente einigen. Oder das Familiengericht kann auch bereits bei der Scheidung entscheiden, dass wegen der nicht auszugleichenden ausländischen Anrechte des einen Ehegatten auch inländische Anrechte des anderen Ehegatten nicht ausgeglichen werden, wenn es sonst ungerecht wäre.

Dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterfallen auch noch andere sogenannte nicht ausgleichsreifen Anrechte nach § 19 VersAusglG. Das sind:

  • Anrechte, die nicht hinreichend verfestigt sind, also wieder verfallen können,
  • Anrechte, die auf eine abschmelzende Leistung gerichtet sind
  • Anrechte, deren Ausgleich unwirtschaftlich für den Berechtigten wäre sowie
  • Anrechte bei ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträgern.

Versorgungsausgleich beim Tod eines Ehegatten

Der Versorgungsausgleich nach der Scheidung führt im Regelfall dazu, dass die Rentenansprüche des Ausgleichspflichtigen dauerhaft um den Betrag gekürzt bleiben, den der andere Ehepartner erhalten hat. Diese Folge des Versorgungsausgleichs beim Tod des Berechtigten empfindet der überlebende Partner oft als ungerecht. Denn der Rentenversicherungsträger erspart sich Leistungen, für die der Überlebende jahrelang eingezahlt hat. Vielen ist jedoch nicht bekannt, dass der Gesetzgeber eine Ausnahme vorgesehen hat. Nach § 37 VersAusglG kann die Kürzung rückgängig gemacht werden, sofern der Verstorbene noch keine oder erst für höchstens 36 Monate Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen hat. Der Überlebende muss in diesem Fall einen Antrag beim zuständigen Versorgungsträger stellen und erhält künftig seine volle Rente.

Anpassung wegen Unterhalt und Invalidität

Der Beschluss des Gerichts über den Versorgungsausgleich wird von der Versorgungsträgern sofort nach Rechtskraft der Scheidung umgesetzt. Das kann zu ungerechten Ergebnissen führen, wenn der Ehegatte, der im Saldo mehr Anwartschaften abgibt, als er zurückbekommt, bereits Rente bezieht und der andere nicht. Die Rente des Ehegatten wird sofort gekürzt, der andere Ehegatte hat aber noch nichts davon. Wenn derjenige, der die Rente schon bezieht, aus der höheren Rente weiter Unterhalt an den anderen Ehegatten zahlen kann, kann die Kürzung auf Antrag durch das Familiengericht ausgesetzt werden. Es handelt sich dabei um ein eigenes neues Verfahren nach der Scheidung.

Wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte noch keine normale Altersrente, sondern eine Rente wegen Invalidität / Erwerbsunfähigkeit oder Altersrente aufgrund einer für ihn geltenden vorgezogenen Altersgrenze (z.B. Feuerwehr) bezieht, kann die Kürzung auch vorübergehend ausgesetzt werden. Hierüber entscheidet der Versorgungsträger, also die gesetzliche Rentenversicherung oder die Pensionsstelle.

Wichtig ist, dass die Aussetzung der Kürzung immer erst ab Antragstellung erfolgt. Es gibt keine Nachzahlung für zurückliegende Zeiträume, in denen die Kürzung auch möglich gewesen wäre.

Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich ausschließen. Sinnvoll kann ein Verzicht zum Beispiel sein, wenn Paare im fortgeschrittenen Alter heiraten und beide bereits ausreichend vorgesorgt haben. Ein weiterer Faktor ist die Zeitersparnis: Ohne den Versorgungsausgleich kann die Ehe schneller geschieden werden. Den Verzicht können die Ehepartner in einem Ehevertrag, durch Erklärungen vor dem Gericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens oder in einer Scheidungsfolgenvereinbarung festlegen. Sowohl der Ehevertrag als auch die Scheidungsfolgenvereinbarung müssen zur Wirksamkeit notariell beurkundet werden. Nach materiellem Recht können diese Vereinbarungen in Ausnahmefällen wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein, wenn sie einen der Ehegatten massiv benachteiligen. Sind beide Parteien anwaltlich vertreten, können sie den Verzicht auch im Scheidungstermin zu Protokoll erklären.

Fazit

Der Versorgungsausgleich nach der Scheidung ist ein wichtiges Instrument, um den geschiedenen Ehegatten gegen Altersarmut und Invalidität abzusichern. Niemand sollte leichtfertig darauf verzichten, sondern sich zuvor von einem erfahrenen Rechtsanwalt für Familienrecht beraten lassen. Aber auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs birgt Fallstricke, vor allem bei der externen Teilung. Zwischen den Leistungen der verschiedenen Versorgungsträger bestehen deutliche Qualitätsunterschiede, und nicht für jede Art von Anwartschaft ist der gesetzliche Zielträger die beste Wahl. Wer untätig bleibt und es dem Gericht überlässt, seine Anwartschaften zu überweisen, kann sich wirtschaftliche Nachteile einhandeln. Auch nach durchgeführtem Versorgungsausgleich muss man weiter daran denken, ggf. Anpassungsanträge zu stellen, weil man selbst vorzeitig eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder eine Altersrente aufgrund persönlicher vorgezogener Altersgrenze bezieht oder der geschiedenen Ehegatte stirbt, ohne länger als 3 Jahre Rente bezogen zu haben.

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