Erbrecht

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Wie Ehepartner mit Weitsicht vererben: Berliner Testament mit Änderungsvorbehalt

Das Berliner Testament ist eine Sonderform des Ehegattentestaments nach § 2265 BGB. Es darf nur von Eheleuten und Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erstellt werden, Verlobte können noch nicht gemeinsam testieren. Meistens entscheiden sich die Partner für die notarielle Form, aber das Berliner Testament kann ebenso wirksam handschriftlich erstellt werden. Die Eheleute legen in ihrer gemeinsamen Verfügung fest, dass nach dem Tod des Erstversterbenden zunächst der überlebende Ehegatte Erbe wird, bevor nach dessen Tod Dritte, zumeist die gemeinsamen Kinder, erben sollen. Denn nach der gesetzlichen Erbfolge würden die Kinder neben dem länger lebenden Ehegatten erben. Gerade wenn eine Immobilie den Hauptanteil des Nachlasses ausmacht, kann die gesetzliche Folge zu Problemen führen: Der Überlebende müsste das Haus verkaufen, um die Erbteile der Kinder auszahlen zu können.

Das Berliner Testament sichert den Ehegatten ab, der allein bleibt, damit dieser noch bis zu seinem Tod über den Nachlass verfügen kann und die gemeinsam bewohnte Immobilie weiter nutzen darf. So weit, so gut. Aber was, wenn sich nach dem Tod eines Ehepartners etwas ereignet, was dem gemeinsam formulierten letzten Willen zuwiderläuft? Hier kann ein Änderungsvorbehalt im Berliner Testament ins Spiel kommen.

Einheits- und Trennungslösung

Bei der Ausgestaltung gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten, die Einheitslösung und die Trennungslösung. Im ersten Fall ordnen die Ehepartner an, dass der Überlebende Vollerbe wird, die Kinder nach ihm Schlusserben. Der Überlebende kann dann ohne Einschränkungen über die Erbschaft verfügen. Bei der Trennungslösung dagegen ordnen die Ehegatten eine Vor- und Nacherbschaft an. Der Überlebende wird nur Vorerbe und verwaltet den Nachlass des Verstorbenen treuhänderisch bis zum eigenen Tod. Frei verfügen kann der überlebende Partner nur über sein eigenes Vermögen, das geerbte Vermögen darf er nicht reduzieren, sondern nur die Erträge einziehen (vgl. § 2130 BGB).

Der Regelfall ist die Einheitslösung, die dem Überlebenden die Verfügungsgewalt über den gesamten Nachlass einräumt. Unklare Formulierungen legen die Gerichte zugunsten des Überlebenden dahingehend aus, dass eine Vollerbschaft mit Schlusserbschaft gewollt war. Üblich im Berliner Testament ist weiterhin die Anordnung, dass die Schlusserben (die Kinder) ihren Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden nicht geltend machen dürfen. Andernfalls sollen sie nach dem Tod des Längerlebenden enterbt, also ebenfalls nur auf den Pflichtteil verwiesen werden.

Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen

Die wechselbezüglichen Verfügungen in einem Berliner Testament binden die Beteiligten bereits zu Lebzeiten. Wechselbezüglich sind alle die Anordnungen, die die Ehegatten ohne die Erklärung des anderen Teils nicht getroffen hätten, die also mit der anderen Verfügung „stehen oder fallen“ sollen. Die Gerichte prüfen jede Verfügung einzeln, im Zweifel wird nach § 2270 II BGB die Wechselbezüglichkeit angenommen. Zu Lebzeiten können die Eheleute solche wechselbezüglichen Verfügungen gemeinsam noch jederzeit ändern, indem sie das Testament vernichten und ein neues erstellen. Auch wenn das Testament in amtliche Verwahrung gegeben wurde, können beide zusammen ihre Verfügungen zurücknehmen. Bis zum Tod des Ehepartners kann der andere außerdem seine Erklärungen einseitig widerrufen. Dies muss allerdings in notariell beurkundeter Form und mit Zustellung an den anderen Teil erfolgen. Nach dem Tod des Partners hat der Überlebende jedoch kaum noch eine Möglichkeit, die gemeinsamen Verfügungen zu ändern, insbesondere die festgelegte Schlusserbfolge abweichend zu regeln. Änderungen sind dann nur noch in Ausnahmefällen möglich, etwa bei Erbunwürdigkeit des Bedachten.

Sinn und Zweck eines Änderungsvorbehalts im Berliner Testament

Niemand kann in die Zukunft blicken, und innerhalb jeder Familie kann es zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen. Wenn ein Ehegatte erneut heiratet oder sich mit einem testamentarisch eingesetzten Schlusserben überwirft, entsteht oft das Bedürfnis, die gemeinsam getroffenen Verfügungen abzuändern. Gerade in den letzten Lebensjahren sind Eltern häufig auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen und möchten denjenigen, die sich um sie gekümmert haben, mehr zukommen lassen als ihren Geschwistern. Um dem überlebenden Partner die Freiheit zu geben, auf solche veränderten Umstände zu reagieren, können die Ehegatten von vornherein eine Vorbehaltsklausel im Berliner Testament festschreiben. Wenn dieser Änderungsvorbehalt den Überlebenden von allen Beschränkungen befreit, kann dieser später ein eigenes Testament errichten und darin den gesamten Nachlass nach seinem Willen neu regeln.
Aber Vorsicht: Nicht jeder möchte seinem Partner einen Freifahrtschein erteilen. Denn die unbeschränkte Verfügungsbefugnis kann auch dazu führen, dass der Überlebende später seine neue Liebschaft als Erben einsetzt und die gemeinsamen Kinder enterbt. Deshalb sollten die Partner sorgfältig abwägen, wie viel Spielraum sie sich gegenseitig einräumen möchten. In manchen Fällen, insbesondere bei Patchworkfamilien, kann auch eine andere Form von Ehegattentestament als das Berliner Testament die bessere Wahl beim Vererben sein.

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Vorbehaltsklausel im Berliner Testament: Formulierungsvorschläge

Eine Vorbehaltsklausel im Berliner Testament, die dem Überlebenden die volle Testierfreiheit gewährt, kann zum Beispiel so formuliert werden:

„Der überlebende Partner ist nach dem Tod des zuerst Versterbenden berechtigt, abweichende Verfügungen zu treffen. Er darf sowohl die hier vereinbarte Erbeinsetzung als auch die Aufteilung des Erbes nach seinem Willen neu regeln“.

Möglich ist auch eine Klausel, die dem Überlebenden nur einen begrenzten Spielraum lässt, zum Beispiel:

„Der überlebende Partner darf nach dem Tod des Erstverstorbenen die gemeinsam festgelegten Erbquoten verändern“.

Dann darf der länger Lebende die eingesetzten Schlusserben nicht austauschen, sondern ihnen nur anteilig mehr oder weniger des Erbes zukommen lassen. Weiterhin ist es möglich, Änderungen an Bedingungen zu knüpfen. So kann etwa die Reduzierung der Erbquote erlaubt werden, wenn ein Schlusserbe sich ein Fehlverhalten zuschulden kommen lässt. Bei der Formulierung der Klausel ist immer zu bedenken, dass die Testierfreiheit des Längerlebenden die Position der Schlusserben schwächt. Wenn die Kinder fürchten müssen, ihr Erbe zu verlieren, neigen sie eher dazu, nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil geltend zu machen, selbst wenn sie dann auch im Zweiterbfall enterbt werden. Je mehr Sicherheit im Hinblick auf ihr späteres Erbe die Kinder haben, desto weniger Streitigkeiten werden von ihnen ausgehen.

Beispielsfall zur Vorbehaltsklausel im Berliner Testament

Das OLG Bamberg (Beschluss vom 09.10.2020, Az.: 3 W 43/20) hatte über einen Änderungsvorbehalt in einem Berliner Testament zu entscheiden. Die Eheleute hatten sich gegenseitig zu Vollerben und den gemeinsamen Sohn zum Schlusserben eingesetzt. Die Vorbehaltsklausel erlaubte es dem Längerlebenden, bei einer „familiären Zuwiderhandlung“ abweichend zu verfügen. Nach dem Tod der Ehefrau setzte der Mann seine Geliebte und den Sohn jeweils zur Hälfte als Erben ein. Der Sohn hatte den Kontakt zum Vater stark reduziert, weil dieser schon zu Lebzeiten der Mutter ein außereheliches Verhältnis begonnen hatte. Der Sohn beantragte einen Erbschein und bekam schließlich vor dem OLG Recht.

Das Gericht legt den Änderungsvorbehalt im Berliner Testament dahingehend aus, dass die Eheleute nur für den Fall eines schwerwiegenden Fehlverhaltens des Sohnes die Änderungsbefugnis einräumen wollten. Ein solches Fehlverhalten liege aber noch nicht darin, dass der Sohn seinen Vater selten besucht habe. Zudem habe der Vater selbst die Verschlechterung des Verhältnisses verursacht. Weiterhin sei der Wille der Ehefrau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu berücksichtigen. Diese habe ihrem Mann sicherlich nicht die Befugnis einräumen wollen, zugunsten seiner Geliebten neu zu testieren.

Fazit

Das Berliner Testament bietet die Möglichkeit, den überlebenden Ehegatten gegenüber den Kindern abzusichern. Vor allem wenn Paare eine gemeinsame Immobilie bewohnen, ist es sinnvoll, dem Partner die weitere Nutzung auf Lebenszeit zu garantieren. Starre Verfügungen, die sich nach dem Tod des einen Partners nicht mehr ändern lassen, schränken den Überlebenden allerdings stark ein. Um veränderten Verhältnissen Rechnung tragen zu können, bietet sich ein Änderungsvorbehalt im Berliner Testament an. Dabei ist Augenmaß gefragt, denn zu viel Freiraum des Überlebenden kann den Interessen der Kinder zuwiderlaufen. Um das Streitpotenzial innerhalb der Familie gering zu halten, sollten sich Ehepartner für eine Klausel entscheiden, die individuell auf ihre Situation zugeschnitten ist und die Interessen aller Erben bestmöglich in Ausgleich bringt.

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