Viele Arbeitsverhältnisse enden während eines laufenden Kalenderjahres. Doch was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei einer Kündigung? Die meisten Arbeitnehmer gehen davon aus, dass sie ihren Resturlaub nur anteilig beanspruchen können, ihnen also nur die Urlaubstage zustehen, die auf die Monate ihrer Beschäftigung entfallen. Das trifft aber nicht immer zu. Es kommt vielmehr darauf an, zu welchem Zeitpunkt im Jahr und nach wie vielen Monaten des Bestehens das Arbeitsverhältnis endet. Wir als Anwälte für Arbeitsrecht in Hennigsdorf beraten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in allen Fragen zum Thema Urlaubsanspruch und Kündigung.
Gesetzlichen Urlaubsanspruch berechnen
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf 24 Urlaubstage pro Jahr (§ 3 BUrlG). Der Gesetzgeber geht von einer 6-Tage-Woche aus, der Arbeitnehmer kann 4 Wochen pro Jahr freinehmen. Wenn er weniger als sechs Tage pro Woche arbeitet, sinkt sein Urlaubsanspruch entsprechend:
5-Tage-Woche: 5 x 4 = 20 Tage,
4-Tage-Woche: 4 x 4 = 16 Tage,
3-Tage-Woche: 3 x 4 = 12 Tage.
Im Arbeitsvertrag können mehr Urlaubstage, nicht aber weniger als das gesetzliche Minimum vereinbart werden. Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht noch nicht vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an, sondern erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit. Diese ist unabhängig von der Probezeit, die ebenfalls häufig für sechs Monate vereinbart wird.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor oder nach dem 30. Juni
Wenn ein Arbeitsverhältnis bis einschließlich 30. Juni endet, ob durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, erhält der Arbeitnehmer seine Urlaubstage nur anteilig. Nach § 5 Abs. 1c BUrlG kann er ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verlangen. Ungerade Ergebnisse werden ab einem halben Tag aufgerundet. Hat ein Arbeitnehmer beispielsweise von Anfang Januar bis Ende Juni in der 5-Stunden-Woche gearbeitet, hat er Anspruch auf 10 Urlaubstage (20 Tage : 12 Monate x 6 Monate = 10). Arbeitete er vom 1. Januar des Jahres bis zum 31. März in der 6-Tage-Woche, kann er 6 Urlaubstage geltend machen (24 : 12 x 3 = 6). Kündigungen zum 15. des Monats wirken sich zulasten des Arbeitnehmers aus. Das Gesetz kennt nur volle Monate, anteilige Urlaubstage für einen halben Monat verfallen.
Endet das Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni, besteht Anspruch auf den vollen Jahresurlaub, sofern der Beschäftigte bereits zu Beginn des Kalenderjahres im Unternehmen tätig war. Aber auch wenn ein Arbeitnehmer noch nicht seinen vollen Urlaubsanspruch erworben hat, weil er insgesamt keine sechs Monate im Unternehmen gearbeitet hat, bedeutet dies nicht, dass er gar keinen Urlaubsanspruch bei einer Kündigung hat. Auch dann erhält er wenigstens die anteiligen Urlaubstage.
„Pro rata temporis“-Regelung im Arbeitsvertrag
Viele Arbeitsverträge und Tarifverträge sehen eine höhere Anzahl von Urlaubstagen als das Gesetz vor, oft enthalten sie aber auch eine sogenannte „pro rata temporis“- Klausel, übersetzt: „entsprechend der Zeit“. Diese besagt, dass der Beschäftigte im Jahr seines Eintritts oder im Jahr seines Austritts aus dem Betrieb nur einen anteiligen Urlaubsanspruch hat. Enthält der Vertrag keine solche Klausel, hat der Arbeitnehmer bei Ende des Arbeitsverhältnisses nach dem 30. Juni Anspruch auf den vollen vertraglichen Urlaub. Ist die anteilige Gewährung des Urlaubs im Vertrag wirksam vereinbart, bekommt er mindestens die gesetzlich garantierten Urlaubstage. Von den darüber hinausgehenden Tagen erhält er aber nur einen Anteil.
Urlaubsanspruch berechnen am Beispiel: Im Vertrag sind 28 Urlaubstage vereinbart. Der Arbeitnehmer, der in der 5-Tage-Woche arbeitet, kündigt zum 30. September, also zum Ende des neunten Monats. Er muss nach dem Gesetz mindestens 20 Tage Urlaub bekommen, nach der vertraglichen Regelung erhält er im Ergebnis 21.
9 : 12 x 28 = 21.
Abgeltung des Urlaubsanspruchs
Nach dem gesetzlichen Grundsatz soll Urlaub, der die Erholung bezweckt, nach Möglichkeit genommen und nicht mit einer Geldzahlung abgegolten werden. Nur wenn es nicht möglich ist, den Resturlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch zu nehmen, tritt die Urlaubsabgeltung an seine Stelle (§ 7 IV BUrlG). Die Gründe für die Unmöglichkeit können unterschiedlich sein: Bei einer fristlosen Kündigung oder einer kurzfristigen Aufhebung im beiderseitigen Einverständnis bleibt oft nicht mehr genügend Zeit. Auch wenn der Beschäftigte arbeitsunfähig ist, kann er seine Urlaubstage nicht ausnutzen, denn Arbeitsunfähigkeit bedeutet auch Urlaubsunfähigkeit.
Der Arbeitgeber kann die Abgeltung grundsätzlich nicht verweigern, der Anspruch auf finanziellen Ausgleich kann nur ausnahmsweise entfallen, wenn der Arbeitnehmer wirksam und unwiderruflich freigestellt wurde. Eine Freistellung unter Verzicht auf Urlaubsabgeltung ist in beiderseitigem Einvernehmen möglich, sie wird häufig im Aufhebungsvertrag vereinbart. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber einseitig einen Beschäftigten freistellen, etwa wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist oder er keine Einsatzmöglichkeit für ihn hat. Sofern eine wirksame, unwiderrufliche Freistellung vorliegt, werden die Urlaubsansprüche regelmäßig angerechnet, das heißt, der Arbeitnehmer kann seine Urlaubstage nicht mehr beanspruchen und keine Abgeltung dafür verlangen. Ist die Freistellung widerruflich, findet keine Anrechnung statt, und der Beschäftigte behält seinen Urlaubsanspruch bei der Kündigung.
Berechnung der Urlaubsabgeltung
Zur Berechnung der Abgeltung wird das Bruttoentgelt der letzten 13 Wochen zugrunde gelegt. In einer 5-Tage-Woche entsprechen 13 Wochen 65 Arbeitstagen, bei der 4-Tage-Woche sind es 52. Vom monatlichen Bruttogehalt ausgehend wird zunächst das Quartalsgehalt bestimmt (3 Monate = 13 Wochen), aus dem sich sodann der Verdienst pro Woche und pro Arbeitstag ermitteln lässt.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient 2.800 Euro brutto in der 5-Tage-Woche. Sein Quartalsgehalt liegt bei 8.400 Euro (2.800 x 3). Er verdient pro Woche 646,15 Euro (8400 : 13) und pro Tag 129,23 Euro (646,15 : 5). Er bekommt also 129,23 Euro Abgeltung für jeden ihm zustehenden Urlaubstag.
In das Gehalt fließen auch variable Vergütungsbestandteile ein, die der Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Festgehalt verdient, zum Beispiel Verkaufsprovisionen. Die in den letzten 13 Wochen erhaltene Provision wird dem Quartalsgehalt zugeschlagen. Dazu kommen gegebenenfalls Zuschläge für Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit.
Erweiterter Abgeltungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit
War ein Arbeitnehmer vor der Kündigung bereits lange wegen einer Krankheit arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber die nicht genommenen Urlaubstage regelmäßig abgelten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.08.2012, Az.: 9 AZR 353/10) soll der Arbeitnehmer sogar ausnahmsweise mehr Urlaubstage aus der Vergangenheit geltend machen können als im Regelfall. Normalerweise erlischt der Urlaubsanspruch zum 31. März des Folgejahres. Langzeiterkrankte dürfen die Abgeltung ihrer Urlaubstage jedoch noch bis zu 15 Monate nach dem Ende des Jahres verlangen, in dem die Urlaubsansprüche entstanden sind.
Krankenschein nach Kündigung
Meldet sich ein Arbeitnehmer nach der Kündigung krank, ändert dies grundsätzlich nichts an seinem fortbestehenden Urlaubs- oder Abgeltungsanspruch, sofern er tatsächlich erkrankt ist. Während der Krankheit kann er die Urlaubstage nicht nehmen, verbleibende Tage sind abzugelten. Allerdings kann ein Krankenschein nach der Kündigung Zweifel wecken, vor allem, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit genau mit der Kündigungsfrist zusammenfällt. Die Rechtsprechung schätzt den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gewöhnlich als hoch ein. Liegen aber Anhaltspunkte dafür vor, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses krankfeiern möchte, etwa wegen eines auffälligen zeitlichen Zusammenhangs, wird ihr Beweiswert erschüttert. Dann muss nicht der Arbeitgeber die Gesundheit des Arbeitnehmers beweisen, sondern dieser muss genaue Informationen zu seiner Krankheit liefern.
Fazit
Bei der Geltendmachung von Urlaubs- und Abgeltungsansprüchen sollten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sich anwaltlich beraten lassen. Viele Beschäftigte verlieren ihren Urlaubsanspruch bei einer Kündigung, weil sie ihn aus Unwissenheit gar nicht oder zu spät geltend machen. Arbeitgeber dagegen leben mit dem Ärgernis, dass manche Mitarbeiter gesund zu Hause sitzen und sich dafür auch noch Urlaubstage abgelten lassen möchten. Unsere Kanzlei für Arbeitsrecht in Hennigsdorf ist Ihr kompetenter Ansprechpartner bei allen Problemen rund um das Arbeitsverhältnis. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin, wenn Sie Fragen zu Urlaubsanspruch, Kündigung oder anderen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten haben!