Ein großer Teil unseres täglichen Lebens spielt sich mittlerweile in der digitalen Welt ab: Wir regeln Bankgeschäfte online, kommunizieren per E-Mail, erledigen unsere Einkäufe im Netz und haben etliche Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen. Aber was passiert nach dem Tod mit all den Konten und Daten, wie lässt sich digitaler Nachlass regeln? Viele Accounts bestehen auch bei Inaktivität nach dem Tod des Berechtigten weiter und einige von ihnen verursachen fortlaufende Kosten. Nach einem Todesfall müssen sich die Erben daher schleunigst darum kümmern, das digitale Erbe zu sichten und Verträge und Abos zu kündigen. Wenn die Erben aber den vollen Zugriff erhalten, bekommen sie eventuell auch solche Daten in die Hände, die der Verstorbene lieber für sich behalten hätte. Jeder sollte sich daher schon jetzt Gedanken darüber machen, wie er seine digitale Hinterlassenschaft regeln möchte, um seinen Nachkommen zu helfen, aber auch, um die eigene Privatsphäre zu schützen.
Was ist digitaler Nachlass?
Digitaler Nachlass ist die Summe aller Rechtspositionen eines verstorbenen Internetnutzers. Dazu gehören die vertraglichen Beziehungen zu Providern wie E-Mail- oder Webhost-Diensten und Anbietern von sozialen Netzwerken und Chat-Diensten wie Facebook, YouTube, Instagram, X, TikTok, Xing, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, WhatsApp, Skype, Facetime und anderen. Möglicherweise hat der Verstorbene auch eine eigene Website oder einen Blog betrieben. Dazu kommen Verträge mit Anbietern virtueller Konten für Online-Banking, Versandhandelund Marktplätze bei PayPal, Amazon, eBay etc.
Der digitale Nachlass umfasst Verträge mit Mediendiensten, etwa Streaming-Plattformen und Zeitungsabonnements. Außerdem gehören dazu Nutzungsrechte, die der Verstorbene erworben hat, zum Beispiel für Domainnamen oder Software. Schließlich fallen in den Nachlass alle bestehenden Urheberrechte, die der Verstorbene an hochgeladenen Dokumenten wie Fotos, Videos und Texten im Internet hat. Er kann weiterhin Rechte an heruntergeladenen digitalen Gütern erworben haben, wie gekauften E-Books, Filmen oder Musikdateien. Neben den online in E-Clouds etc. gespeicherten Daten umfasst das digitale Erbe auch die offline auf dem PC, Smartphone oder USB-Stick abgelegten Fotos, Audiodateien, Texte und Präsentationen, die der Verstorbene verfasst hat.
Rechtslage zum digitalen Nachlass
Im Gesetz findet sich bisher keine ausdrückliche Erwähnung des digitalen Nachlasses. Der Bundesgerichtshof hat aber in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2018 klargestellt, dass der digitale Nachlass zum Erbe gehört und die Erben vollumfänglich in alle Rechtspositionen des Verstorbenen eintreten. Dies gilt insbesondere für Verträge zwischen der verstorbenen Person und dem Betreiber eines sozialen Netzwerks (BGH, Urteil vom 12.07.2018, Az.: III ZR 183/17). Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Mutter gegen Facebook geklagt, weil sie Zugang zum Profil ihrer verstorbenen Tochter erlangen wollte. Facebook hatte den Account der Tochter in den Gedenk-Status versetzt, sodass ein Zugang für niemanden mehr möglich war. Der Senat gab der Mutter recht und verurteilte Facebook, ihr Zugang zum Facebook-Account mit sämtlichen Kommunikationsinhalten zu gewähren.
Vererbbarkeit von Vermögensrechten und Nutzungsrechten
Die Erben treten in die Rechtsstellung des Verstorbenen ein, soweit es um dessen Vermögensrechte geht. Ihnen stehen etwa Guthaben auf dem PayPal-Account oder auf Bitcoin-Konten zu. Software und Hardware im Eigentum des Verstorbenen gehen ebenfalls auf die Erben über. Dagegen sind Nutzungsrechte nicht immer vererbbar, denn in vielen Fällen werden sie an die berechtigte Person und den Account geknüpft. Guthaben auf Spielseiten oder gesammelte Bücher in Online-Bibliotheken lassen sich daher zumeist nicht auf die Erben übertragen. Ob gekaufte E-Books vererbbar sind, hängt von den AGB der Anbieter ab. Meistens räumen diese nur ein personalisiertes Nutzungsrecht ein und schließen damit die Vererbbarkeit aus. Urheberrechte können jedoch vererbt werden. Das Urheberrecht an den Werken, die der Verstorbene selbst verfasst hat, geht auf die Erben über und besteht 70 Jahre über den Tod des Werkschöpfers hinaus.
Was tun als Erbe?
Erben sollten so schnell wie möglich versuchen, sich einen Überblick über die laufenden Verträge zu verschaffen. Sind die Zugangsdaten zu den Accounts bekannt, lassen sich die Profile bei den meisten Diensten löschen. Vor einer Löschung empfiehlt es sich jedoch, zunächst alle Daten zu sichern, die eventuell noch von Nutzen sein könnten oder als Erinnerung dienen. Wird etwa die Apple ID gelöscht, gehen sämtliche Inhalte inklusive aller Fotos verloren.
Sind die Zugangsdaten unbekannt, müssen die Erben dem Anbieter gegenüber den Tod des Berechtigten sowie ihre Erbenstellung nachweisen. Dafür sind die Sterbeurkunde und der Erbschein vorzulegen. Einige Betreiber versetzen das Profil sodann in den „Gedenkmodus“, sodass es nicht mehr aktiv genutzt werden kann, aber für Freunde und Verwandte als Erinnerung fortbesteht. Andere Portalbetreiber, wie beispielsweise Xing, deaktivieren das Profil sofort, wenn sie Kenntnis vom Tod erhalten. Nach einigen Monaten der Inaktivität wird das Profil dann endgültig gelöscht. Kostenpflichtige Verträge müssen in der Regel ordentlich, also unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist, gekündigt werden. Dies gilt zum Beispiel für die Streaming-Dienste Amazon, Spotify, DAZN, Sky und Netflix.
Tipp für Internetuser: Vorsorgeeinstellungen in Online-Diensten nutzen
Nehmen Sie sich etwas Zeit und verschaffen Sie sich einen Überblick über alle Ihre Konten und Mitgliedschaften. Notieren Sie sich alle Webseiten zusammen mit den Passwörtern auf einer Liste oder in einer Datei. Speichern Sie die Datei auf einem USB-Stick , einem anderen externen Datenträger ab oder führen Sie ganz altmodisch eine Papierliste und verwahren Sie diese an einem sicheren Ort.
Nun denken Sie darüber nach, welchem Ihrer Angehörigen Sie Ihr digitales Erbe anvertrauen möchten. Viele Social-Media-Plattformen bieten Ihnen an, zu Lebzeiten eine oder mehrere Personen einzutragen, die nach Ihrem Tod die Verfügungsgewalt über Ihren Account haben sollen. Bei den Meta-Diensten Facebook und Instagram können Sie einen Freund als Nachlasskontakt angeben, der nach Ihrem Tod einen eingeschränkten Zugang zu Ihrem Konto erhält. Sie können aber auch verfügen, dass Ihr Konto gelöscht werden soll, sobald der Anbieter über Ihren Tod informiert wird. Bei Google können Sie im Inaktivitätmanager festlegen, ob nach Ihrem Tod eine andere Person Zugriff erhalten oder Ihr Account gelöscht werden soll. Ebenso lässt sich bei Apple ein Nachlasskontakt eingeben.
Digitaler Nachlass in Testament und Vorsorgevollmacht
Sie können außerdem den Umgang mit Ihrem digitalen Nachlass regeln, indem Sie Bestimmungen zu Ihrem digitalen Erbe in Ihr handschriftliches oder notarielles Testament mit aufnehmen. Ein digitales Testament, also ein Testament in digitaler Form ist übrigens unwirksam. Legen Sie eindeutig fest, welche Person für Ihren digitalen Nachlass zuständig sein soll. Dieser Person sollten Sie auch im Rahmen von Vermächtnissen Ihre Speichergeräte und Datenträger zuwenden, also Laptop, Smartphone, USB-Sticks etc. Nutzen Sie die Möglichkeit, im Testament direkt zu verfügen, welche Daten Ihrem Bevollmächtigten nicht zur Verfügung gestellt werden sollen, sofern Sie bestimmte Geheimnisse schützen möchten. Da sich die Erteilung eines Erbscheins einige Zeit hinziehen kann, wird Ihr testamentarisch Bevollmächtigter nicht sofort Zugriff erhalten. Sie sollten der Person daher auch eine Vorsorgevollmacht erteilen, die sofort wirkt. Außerdem kann der Bevollmächtigte Sie damit schon zu Lebzeiten vertreten, wenn Sie vielleicht aufgrund einer Krankheit oder geistigen Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage sind, sich um Ihre digitalen Angelegenheiten zu kümmern. Vergessen Sie nicht, der bevollmächtigten Person mitzuteilen, wo sie die Kontakt- und Zugangsdaten finden kann.
Fazit
Digitaler Nachlass kann und sollte dringend geregelt werden! Handeln Sie vorausschauend und nehmen Sie schon jetzt alle Einstellungen vor, mit denen Sie Ihren Angehörigen nach Ihrem Tod den Zugriff auf Ihre Accounts ermöglichen, aber gleichzeitig Ihre Privatsphäre schützen können. Listen Sie alle Ihre Konten mit zugehörigen Passwörtern auf und wählen Sie einen geeigneten Ort für das Speichermedium. Erstellen Sie ein digitales Testament und erteilen Sie einer Person Ihres Vertrauens eine Vorsorgevollmacht, die zu Lebzeiten und über den Tod hinaus wirkt. Denken Sie daran, den Bevollmächtigten über Ihre Verfügungen und den Aufbewahrungsort der Daten zu informieren.
Wenn Sie sowohl Ihr digitales als auch sonstiges Erbe rechtssicher und nach Ihrem Willen gestalten wollen, sollten Sie dabei auf die Hilfe einer erfahrenen Fachanwältin für Erbrecht setzen. Kontaktieren Sie uns und wir unterstützen Sie bei der Gestaltung Ihres Testaments.